Steuerberatung für den Norden

Die Geschäftsführung von Buchführungsverband und SHBB im Interview

»Wir stehen sehr gut da. Dennoch gibt es Potenziale zu heben.«

Land und Wirtschaft sprach mit den Geschäftsführern Maik Jochens, Dr. Hauke Schmidt und Sebastian Nehls über aktuelle Herausforderungen und Chancen für den Landwirtschaftlichen Buchführungsverband und die SHBB.

WP StB Maik Jochens

WP StB Dr. Hauke Schmidt

StB Sebastian Nehls

Der Landwirtschaftliche Buchführungsverband besitzt als wirtschaftlicher Verein eine Rechtsform, die außergewöhnlich ist im Bereich der Steuerberatung. Ist er damit zukunftsfähig?

Sebastian Nehls: „Davon bin ich überzeugt. Auch heute könnten sich zwar noch Land- und Forstwirte zu einem Verein zusammenschließen, um ihre Steuerberatung zu organisieren. Das macht auch Sinn, da steuerliches Spezialwissen für die Beratung in dieser Branche unerlässlich ist. Allerdings darf der Verein nicht das volle Spektrum der Steuerberatung anbieten. Aus diesem Grund hat der Verein für die damalige Zeit sehr vorausschauend in den 1960er Jahren Tochtergesellschaften, wie die SHBB gegründet, um auch Gewerbebetriebe, Freiberufler und Privatpersonen betreuen zu können. Das wäre heute in dieser Form nicht mehr möglich. Mit der SHBB und weiteren Gesellschaften konnte der Buchführungsverband die Stärke erreichen, in der er heute am Markt präsent ist. Das Gute an der Vereinsform ist: Seit mehr als 100 Jahren steht das Interesse der Mitglieder und Mandanten an erster Stelle und nicht das Interesse von Anteilseignern, die eine Gewinnerwartung haben.“
 

Worin liegt der Vorteil dieser Struktur?
Dr. Hauke Schmidt: „Diese Kombination ist aus heutiger Sicht nahezu genial. Steuerberater, die bei uns mitarbeiten möchten, können dies tun, ohne sich einkaufen zu müssen. Anderswo müssen Steuerberater für den Einstieg in eine bestehende Kanzlei Geld auf den Tisch legen. Das ist in heutiger Zeit sehr problematisch, denn es ist abzusehen, dass sich mit der Digitalisierung der Wert von Kanzleien verändert, möglicherweise reduziert. Die Struktur des wirtschaftlichen Vereins ermöglicht es uns, dass wir dieses Bezahlsystem gar nicht benötigen, weil unsere Mitglieder die Eigentümer des Verbandes sind. Das Bezirksstellenleitersystem der Steuerberater schafft eine nahezu ideale Symbiose aus angestellt sein und gleichzeitig eine Freiheit zu genießen, die sonst nur Selbstständige haben. Das ist unsere DNA. In der Wirtschaft überlebt nicht der Stärkste, sondern der Flexibelste. Und unsere Struktur ist sehr flexibel. Der Buchführungsverband hat in mehr als 100 Jahren immer Lösungen für die Herausforderungen der jeweiligen Zeit gefunden. Das Konstrukt – wirtschaftlicher Verein als Basis abgerundet mit Tochtergesellschaften für ergänzende Steuerberatung und Dienstleistungen – hat sich absolut bewährt.“
 

»Die klassische Einzelkanzlei wird es in Zukunft immer weniger geben, dafür mehr Zusammenschlüsse. Wir praktizieren dies schon seit mehr als 100 Jahren.«

 

Mit einem Jahresumsatz in dreistelliger Millionenhöhe und mehr als 2.100 Beschäftigten in sieben Bundesländern gehört der Verband mit seinen Töchtern zu den größten Beratungsgesellschaften in Deutschland. Welche Rolle spielt die Verbundenheit mit der ländlichen Region?
Maik Jochens: „Die ist uns sehr wichtig. Wir fliegen keine Steuerberater von Hamburg zum Mandanten nach München, wie manch andere Gesellschaften das machen. Wir setzen auf das Landarzt-Prinzip: Unsere Mandanten haben die Möglichkeit, ihren Steuerberater auch auf der Straße, dem Wochenmarkt oder beim Feuerwehrfest zu treffen. Diese Art der Präsenz ist eine große Stärke von uns. Zu unserer DNA gehört auch, dass wir steuerliches Spezialwissen im Bereich der Land- und Forstwirtschaft haben. In der typischen Steuerausbildung sind die vielen gesetzlichen Spezialregelungen, die es für die Land- und Forstwirtschaft gibt, kein großes Thema. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir selbst ausbilden. Bei der Personalsuche stellen wir die SHBB nach vorn. Damit können Interessenten meist mehr anfangen, und tatsächlich erwirtschaften wir heute auch etwa zwei Drittel unseres Umsatzes in der SHBB. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass fast alle Landwirte heute auch gewerbliche Einkünfte haben. Die Umsätze aus der Betreuung dieser Tätigkeiten würden wir in der SHBB nicht erzielen, wenn der Landwirt nicht Mitglied im Buchführungsverband wäre.“
 

Wie wirken sich Strukturwandel und demografische Entwicklung auf Ihre Arbeit aus?
Nehls: „Dass die Babyboomer-Generation in Rente geht, ist in vielen Branchen zu spüren. Nicht nur in der Landwirtschaft ist die Unternehmensnachfolge manchmal schwierig. Aber in jedem Wandel liegt auch eine Chance. So gibt es Unternehmen, die weiter wachsen, wenn andere aufhören. Hinzu kommt, dass sich Betriebe breiter aufstellen mit Direktvermarktung, Fremdenverkehr, Gastronomie, Lohndienstleistungen und insbesondere Erneuerbaren Energien. Auch wenn die Anzahl der Betriebe mit landwirtschaftlicher Urproduktion zurückgeht, nimmt für uns der Umfang der Arbeiten nicht ab. Parallel ist auch unsere Branche von der demografischen Entwicklung betroffen. Das führt dahin, dass es den Steuerberater mit einer klassischen Einzelkanzlei in Zukunft immer weniger geben wird, dafür aber mehr Zusammenschlüsse. Wir praktizieren dies schon seit mehr als 100 Jahren. Wir brauchen hochqualifizierte Mitarbeitende, und da hilft es, wenn man eine größere Organisation im Rücken hat.“
 

»Wir sind in der Beratung bei Windenergie, Biogas oder Photovoltaik sehr gut aufgestellt. Wer die Energiewende aus dieser Warte mitbegleiten möchte, ist bei uns herzlich willkommen.«


Warum ist denn für junge Menschen eine Ausbildung im Steuerfach interessant?
Jochens: „Das Berufsfeld rund um die Steuerberatung macht richtig Spaß, weil man jeden Tag viel Kontakt hat mit Menschen. Leider müssen wir oft Vorurteile aus dem Weg räumen. Wenn wir auf Jobmessen mit Schülerinnen und Schülern sprechen, dann denken diese oft,  sie müssten sehr gut in Mathe sein, um bei uns anfangen zu können. Natürlich braucht man für unsere Arbeit ein Zahlenverständnis. Aber man muss keine Kurvendiskussionen machen oder komplexe Aufgaben in Algebra lösen. Als Steuerberater oder Steuerfachangestellter ist das persönliche Verhältnis zum Mandanten einfach toll. Wir sprechen in der Regel direkt mit den Chefs, und wenn es gut läuft, vertrauen sie uns und treffen Entscheidungen aufgrund unserer Beratung. Es entstehen oft lebenslange, berufliche Partnerschaften. Das ist etwas Schönes. Und man darf auch nicht vergessen, dass unsere Arbeit relativ krisenfest ist.“
Dr. Schmidt: „Weil das Stichwort Erneuerbare Energien schon gefallen ist, möchte ich ergänzen, dass wir in der steuerlichen, aber auch der unternehmerischen Beratung bei Windenergie, Biogas oder Photovoltaik sehr gut aufgestellt sind. Auch das macht die Mitarbeit bei uns für viele junge Menschen interessant. Wer die Energiewende aus dieser Warte intensiv mitbegleiten möchte, ist bei uns herzlich willkommen.“
 

Große Unternehmen verfügen natürlich über zentrale Dienste wie Rechnungswesen oder IT. Daneben gibt es bei Ihnen auch eine zentrale Steuerabteilung. Was hat es damit auf sich?
Nehls: „Die Steuerabteilung gehört zu unseren Alleinstellungsmerkmalen. Es ist ein Herzstück des Verbandes. Dort arbeiten erfahrene Steuerberater, die nicht im täglichen Mandantenkontakt stehen, sondern unsere Kanzleileiter bei Spezialfällen unterstützen. Über viele Jahrzehnte hat sich unsere Steuerabteilung einen Ruf weit über die Grenzen Norddeutschlands hinaus erarbeitet. Sie ist sehr gut vernetzt und genießt auf allen Ebenen – in der Verwaltung, bei der Finanzgerichtsbarkeit bis hin zum Bundesfinanzhof und in den Finanzministerien der Länder und des Bundes – einen sehr guten Ruf. Außerdem organisiert die Steuerabteilung in großen Teilen die interne steuerliche Aus- und Fortbildung. Durch ihre Kontakte haben wir oft eine Wissensführerschaft, und das kommt unseren Mitgliedern und Mandanten zugute.“
 

Steuerberater haben zuletzt immer mehr Aufgaben übertragen bekommen, beispielsweise als prüfende Dritte bei Corona-Hilfen oder durch die Grundsteuerreform. Wie gehen Sie mit der Mehrbelastung um?
Dr. Schmidt: „Es ist in der Tat so, dass unsere Aufgaben immer vielfältiger werden. Denken Sie auch an die Verpflichtungen für Steuerberater durch das Geldwäschegesetz, durch die Datenschutzgrundverordnung oder die Arbeitsschutzgesetze. Im Verband haben wir die Möglichkeit, uns mit solchen Themen zentral zu befassen und unseren Kanzleien hierfür Lösungen zur Verfügung zu stellen, so dass sich unsere Steuerberater vor Ort auf ihre Kernaufgaben konzentrieren können. Auch hier ergibt sich der Vorteil aus unserer Struktur.“
 

Welche Synergien können Sie noch nutzen?
Dr. Schmidt: „Um unsere Kanzleien zu unterstützen, planen wir zum Beispiel die Entwicklung einer sogenannten Standardkanzlei. Daran können wir zeigen, wie eine Kanzlei sinnvoll aufgebaut und organisiert werden kann. Unsere Kanzleileiter können sich daran orientieren, wenn sie möchten. Durch unsere Größe haben wir auch mehr Einfluss auf Anbieter von Spezialsoftware. Und beim Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist unsere Struktur auch ein klarer Vorteil, weil die KI nur dann gut funktionieren wird, wenn man sehr viele fundierte Informationen einfließen lassen kann. Schon jetzt ist absehbar, dass ChatGPT eine Technik sein wird, die unsere Arbeit erheblich unterstützen kann. Wir haben die Möglichkeit, uns damit zentral auseinanderzusetzen. Wir nutzen die Vorteile unserer Größe und Unternehmensstruktur heute bei weitem noch nicht aus. Der Verband und seine Töchter stehen sehr gut da. Dennoch gibt es noch Potenziale zu heben.“
 

Gibt es auf Ebene der Kanzleileiter die Bereitschaft zur Kooperation untereinander?
Nehls: „Ja, durchaus. Es gibt bei uns heute Arbeitskreise, auf denen sich Kanzleileiter austauschen in Bezug auf die Kanzleiorganisation, die Mitarbeiterführung oder auch fachliche Fragen. Das war vor einigen Jahren noch anders. Ich nenne das horizontalen Informations- und Gedankenaustausch. Das werden wir weiter fördern.“
Dr. Schmidt: „Wir sind auch offen dafür, wenn sich Kanzleien stärker spezialisieren. Warum müssen alle das gesamte Spektrum an Spezialleistungen anbieten, wenn wir im Unternehmen sehr eng zusammenarbeiten könnten. Mir ist wichtig zu betonen, dass mir die Meinung der Kolleginnen und Kollegen weiterhin sehr wichtig ist. Wir wollen die Ideen, die vor Ort entstehen, nicht durch Vereinheitlichung unterbinden.“
 

»Solange Papierbelege gängig waren, ist niemand auf die Idee gekommen, diese woanders hinzugeben als zum Steuerberater.«

 

KI und ChatGPT haben Sie angesprochen. Was ändert sich durch die Digitalisierung?
Nehls: „Ich spreche lieber von Automatisierung, weil es vor allem darum geht, Strukturbrüche abzuschaffen und einen durchgängigen Datenfluss zu ermöglichen. Wir kommen gar nicht umhin, uns damit zu beschäftigen. Es ist kein Geheimnis, dass es in der EU und im Bund Pläne gibt, den kompletten Rechnungslauf aller Unternehmen auf ein digitales Format umzustellen. Am Ende wird das, was man heute als klassisches Faktura-Programm kennt, anders arbeiten und über Schnittstellen direkt mit anderen Systemen zum Beispiel in den Steuerkanzleien kommunizieren. Papier wird nicht mehr produziert. Wir müssen uns also überlegen, ob unsere bisherigen Arbeitsabläufe noch die richtigen sind und wie wir sie den neuen Technologien anpassen können. Es muss Bereitschaft zu Veränderungen geben – auf unsere Seite, aber auch auf Seiten der Mitglieder und Mandanten. Unsere Mitarbeitenden dürfen wir dabei nicht vergessen. Gleichzeitig ist es wichtig, das Vertrauen der Mitglieder und Mandanten zu behalten.“
 

Werden durch die Automatisierung Dienste überflüssig, die Sie heute noch anbieten?
Jochens: „Vielleicht lässt sich mit Buchhaltung selbst irgendwann weniger Geld verdienen. Wichtig ist nur, dass wir die Belege behalten – egal, ob in Papierform oder elektronisch. Um eine saubere Finanzbuchhaltung zu führen, brauchen Sie die Belege. Und die Finanzbuchhaltung ist die Grundlage unseres Geschäftes. Auf Basis der Finanzbuchhaltung wird der Jahresabschluss erstellt, findet die steuerliche und die betriebswirtschaftliche Beratung statt, wird die Steuererklärung erstellt und findet das Bankengespräch statt. Deshalb müssen wir den Beleg behalten. Solange Papierbelege gängig waren, ist niemand auf die Idee gekommen, diese woanders hinzugeben als zum Steuerberater. Wir werden zum Glück als verlässlicher Partner wahrgenommen. Wir müssen weiter durch Verlässlichkeit und Qualität überzeugen. Das sind unsere Tugenden, und das schließt nicht aus, dass wir die neuesten Instrumente zur Automatisierung einsetzen und entwickeln.“

Drei Geschäftsführer, drei Werdegänge

Maik Jochens war nach einem Studium an der Verwaltungsfachhochschule beim Finanzamt Kiel und danach als Steuerabteilungsleiter bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Lübeck tätig. 1993 wurde er zum Steuerberater bestellt, 2002 zum Wirtschaftsprüfer. 2003 trat er als Geschäftsführer einer Hamburger Tochtergesellschaft in den Unternehmensverbund ein. 2008 wechselte er in die Geschäftsführung der SHBB und wurde 2009 zum Geschäftsführer des Buchführungsverbandes bestellt.

Dr. Hauke Schmidt ist nach seinem Studium der Agrarwissenschaften und der Promotion 2004 ins Unternehmen eingetreten. Nach erfolgreich abgelegtem Steuerberaterexamen (2007) und Wirtschaftsprüferexamen (2012) wurde er 2013 zum Geschäftsführer der Treurat Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungesellschaft bestellt, zugleich arbeitete er als Kanzleileiter im Beratungszentrum Kiel. 2021 wurde Dr. Schmidt zunächst weiterer Geschäftsführer der SHBB und im selben Jahr auch des Buchführungsverbandes.

Sebastian Nehls hat das Steuerfach ab 2002 mit einer Ausbildung zum Steuerfachangestellten beim Buchführungsverband sowie der SHBB und anschließendem Betriebswirtschaftsstudium von der Pike auf gelernt. Nach der Bestellung zum Steuerberater wechselte er Anfang  2012 in die Steuerabteilung der Hauptgeschäftsstelle, mit deren Leitung er 2018 betraut wurde. 2022 ist Nehls zum weiteren Geschäftsführer der SHBB berufen worden, im Sommer 2023 dann zum weiteren Geschäftsführer des Buchführungsverbandes.

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